das alevitentum

Wer sind die Aleviten?

Die Aleviten sind eine religiöse Gruppe innerhalb des Islam, die oft übersehen wird, da die westliche Welt hauptsächlich mit den Schiiten und Sunniten vertraut ist.

 

Die Aufteilung des Islam nach dem Tod des Propheten Mohammed führte zu verschiedenen Konfessionen, darunter auch den Aleviten. Obwohl die Aleviten aufgrund ihrer gemeinsamen historischen Verbindung oft den schiitischen Muslimen zugeordnet werden, unterscheiden sie sich grundlegend in ihrer Geschichte und religiösen Praxis. Die Bedingungen in der Türkei, im Iran und anderen Ländern haben zu einzigartigen Ausprägungen geführt, einschließlich der Aleviten in der Türkei, den Balkanländern und einigen arabischen Staaten. In der Türkei, wo etwa 15 % bis 25 % der Bevölkerung dieser Glaubensrichtung angehören, leben etwa 72 Millionen Menschen. Zusätzlich gibt es Christen, Juden und andere Glaubensrichtungen, die etwa 2 % bis 5 % der türkischen Bevölkerung ausmachen.

 

In ihren Gemeinschaften lehnen die Aleviten Gewalt grundsätzlich ab und setzen sich für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Frauen genießen innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaften dieselben Rechte und Privilegien wie Männer.

 


Was ist die Alevitische Lehre?

Das Alevitentum bietet eine umfassende Weltanschauung, die verschiedene Aspekte umfasst, darunter die Entstehung des Universums, die Geschichte der Menschheit, die Weiterentwicklung der Menschen, zukünftige Visionen sowie die Beziehungen zwischen Gott, Menschen und der Natur.

 

Diese Lehre bietet Antworten auf die damit verbundenen Fragen. Aufgrund dieser spezifischen alevitischen Sichtweise wird in verschiedenen Publikationen zu Recht auf die Eigenständigkeit des Alevitentums hingewiesen.


Wann entstand das Alevitentum?

Verschiedene Theorien beleuchten die Entstehung des Alevitentums.

 

Eine Auffassung betrachtet das Alevitentum als eine Konfession innerhalb des Islam, die sich bereits in dieser Zeit entwickelt hat. Ursprünglich seien die Aleviten Muslime gewesen, die im Gegensatz zu den Sunniten die Überzeugung vertraten, dass der Prophet Mohammed kurz vor seinem Tod im Jahr 632 seinen Vetter und Schwiegersohn Ali als seinen rechtmäßigen Nachfolger benannt habe.

 

Eine andere Theorie besagt, dass die Religion im 11. bis 12. Jahrhundert durch den alevitischen Gelehrten Hünkar Hacı Bektaş Veli begründet wurde. Dieser alevitische Gelehrte, der in der 17. Generation aus der Familie von Mohammed-Ali stammte, soll nach alevitischer Überlieferung in das heutige Anatolien gekommen sein. Dort habe er den alevitischen Glauben verbreitet. Die größte alevitische Gemeinde existiert immer noch in der Türkei, doch sind sie dort zunehmend von Verfolgung und Diskriminierung betroffen.

 

Die genaue Entstehung des Alevitentums bleibt jedoch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Fest steht jedoch bereits jetzt, dass viele Traditionen des Alevitentums einige tausend Jahre alt sind, darunter Tänze und Rituale.

 


 Aleviten in der Türkei

Die Aleviten setzen sich für Laizismus, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ein. Sie spielten eine wesentliche Rolle bei der Gründung der Republik Türkei, da sie sich insbesondere durch die Abschaffung der muslimischen Rechtsordnung (Scharia) und die Einführung des Laizismus eine Gleichberechtigung erhofften. Die laizistische Staatsform betrachten die Aleviten auch heute noch als Grundlage ihrer Existenz.

 

Trotz der geschätzten 10 bis 20 Millionen Aleviten in der Türkei wird ihre Präsenz offiziell geleugnet. Staatliche Stellen versäumen es, sie anzuerkennen, und bemühen sich, die Bevölkerung der Türkei als durchweg sunnitisch-muslimisch darzustellen. Seit der Einführung der neuen Verfassung von 1982 ist der Religions- und Ethikunterricht in Schulen Pflicht. Kinder aus alevitischen Familien sind verpflichtet, am Religionsunterricht teilzunehmen, in dem nicht ihre eigene, sondern die sunnitische Glaubensrichtung gelehrt wird. Dies führt zu Gewissenskonflikten und Familienzwistigkeiten bei den jungen Menschen sowie zu Spannungen zwischen alevitischen und sunnitischen Schülern und Familien.

 

Das Amt für religiöse Angelegenheiten in der Türkei (Diyanet) reguliert die finanzielle Unterstützung muslimischer Gemeinden und gestaltet den Religionsunterricht. Das Amt wird durch Steuern der in der Türkei lebenden Menschen finanziert und fördert ausschließlich die sunnitische Lehre und den Betrieb von sunnitischen Moscheen. Die Aleviten fühlen sich durch diese einseitige Unterstützung benachteiligt.

 

Aufgrund ihrer Minderheitenposition können die Aleviten in der Türkei weder ihre Kultur noch ihre Religion frei ausüben oder öffentlich vertreten. Sie dürfen keine Gemeinden, Vereine oder Kultureinrichtungen unter dem Namen "Alevitisch" führen, da ihre Konfession offiziell nicht anerkannt ist. Im Gegensatz dazu wird die sunnitische Konfession durch staatliche Finanzmittel und das "Amt für religiöse Angelegenheiten" stark gefördert.

 

Das verstärkte öffentliche Auftreten der Aleviten in jüngerer Zeit ist auf die zunehmende Gewalt von muslimischen Fundamentalisten und türkischen Rechtsradikalen gegen sie zurückzuführen. Gewalttaten wie der Brandanschlag in Sivas, Türkei, im Juli 1993, bei dem 33 Intellektuelle und Künstler sowie 2 Hotelangestellte getötet wurden, und der rechtsradikale Angriff auf alevitische Teehäuser in Istanbul im März 1995 haben zu Opfern geführt. Protestdemonstrationen folgten, bei denen die Zahl der getöteten Aleviten auf etwa 30 stieg.