Die Cem-Zeremonie

Alevitinnen und Aleviten versammeln sich mehrmals im Jahr zu Cem-Zeremonien. In diesen Zeremonien beten sie gemeinsam, diskutieren Fragen und Probleme der Teilnehmenden und der Gemeinschaft, ehren ihre Heiligen und teilen gemeinsam eine gesegnete Mahlzeit.

 

Die Aleviten glauben daran, dass in jedem Menschen göttliche Kraft vorhanden ist. Daher legen sie großen Wert auf die Gleichberechtigung aller Menschen, was auch in den Cem-Zeremonien deutlich wird. Der Begriff "Cem" bedeutet buchstäblich "Zusammenkunft".

 

Die Leitung der Versammlung übernimmt entweder eine Geistliche, die als "Ana" bezeichnet wird, oder ein Geistlicher, der als "Pir", "Dede" oder "Baba" bekannt ist. Zu Beginn des Cem wird die Zustimmung der Anwesenden, das "Rızalık", eingeholt. Danach leitet die Geistliche oder der Geistliche die Zeremonie ein. Ihr Platz wird als "Post" bezeichnet.

 

Sofern der Raum es erlaubt, nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem Halbkreis um die Ana oder den Dede Platz. Diese Anordnung ermöglicht es allen, sich gegenseitig zu sehen und sich zu beteiligen, ohne dass es eine erste oder letzte Reihe gibt. Dieses gleichberechtigte Gegenüberstellen wird von Alevitinnen und Aleviten als "Cemal Cemale" bezeichnet. Manchmal ist diese Anordnung aus Platzgründen jedoch nicht möglich, wodurch einige Teilnehmende in der zweiten oder dritten Reihe sitzen.

 

Ein wesentlicher Bestandteil des Cem ist das "Semah". Während dieses Gebets drehen sich die Alevitinnen und Aleviten im Kreis und folgen den Klängen einer Laute, die als "Saz" bekannt ist. Verschiedene Rituale und religiöse Gesänge sind ebenfalls Teil des Cem. Die behandelten Themen betonen immer wieder Nächstenliebe, Gleichberechtigung und Einheit. Diese sollen alle Teilnehmenden daran erinnern, sich im täglichen Leben gerecht und hilfsbereit zu verhalten.

 

Während den Diskussionen in der Gemeinde wird der Cem fast zu einer Art Gerichtsverhandlung, da die Teilnehmenden sich auch zu ihren Fehlern bekennen.








Die zwölf Dienste

In der gemeinschaftlichen Gebetszeremonie der Aleviten, dem Cem, sind die sogenannten "12 Dienste" ein äußerst bedeutsamer und integraler Bestandteil. Die Zahl Zwölf ist symbolisch auf die heiligen 12 Imame des Alevitentums zurückzuführen, die als makellos und sündenfrei betrachtet werden. Dennoch sind diese Dienste nicht spezifisch einzelnen Imamen zugeordnet. Jeder Dienst wird von einem Bediensteten durchgeführt, wobei sowohl ein Dienst von mehreren Bediensteten ausgeführt werden kann als auch ein Bediensteter mehrere Dienste übernehmen kann. Diese Dienste sind oft Rituale, die symbolisch einen Glaubensaspekt des Alevitentums repräsentieren sollen. Zu Beginn der Cem-Zeremonie werden die Personen, die die "12 Dienste" ausführen sollen, mittels eines Liedes (Deyiş, Nefes) aufgerufen. Falls ein Anwesender der Cem-Zeremonie mit einem bestimmten Bediensteten nicht einverstanden ist, darf dieser diesen Dienst nicht ausführen.

 

1. Dede / Rehber (Wegbegleiter): Diese beiden Dienste sind in gewisser Weise miteinander verbunden. Der Rehber, als "Wegbegleiter", assistiert dem Dede und begleitet die Anwesenden der Cem-Zeremonie durch den Gottesdienst.

 

2. Zakir (Musiker): Der Zakir trägt die Verantwortung für die musikalische Begleitung der Cem-Zeremonie. Er verwendet das anatolische Saiteninstrument Saz, um religiöse Lieder wie Nefes, Deyiş und Mersiye zu spielen, vor allem Lobpreisungen für die Familie des Propheten Mohammed und die 12 Imame (Düvaz, Duaz-i İmam).

 

3. Gözcü (Seher / Seherin): Der Gözcü sorgt für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Aufsicht während der Cem-Zeremonie. Hier geht es nicht um hellseherische Kräfte, sondern um die Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs des Gottesdienstes.

 

4. Delilci (Lichtträger): Der Delilci entzündet das symbolische Licht in der Cem-Zeremonie, das die Erleuchtung symbolisiert. Dieses Ritual steht oft in Verbindung mit dem Ausspruch von Hacı Bektaş Veli: "Glücklich ist der, der die Gedankenfinsternis erhellt (Düşünce karanlığa ışık tutana ne mutlu)".

 

5. Süpürgeci (Feger): Der Süpürgeci symbolisiert das symbolische Fegen, das bedeutet, dass alles, was in der Cem-Zeremonie geschieht (wie z.B. Streitschlichtung), auch dort bleibt.

 

6. Semahcı (Semah-Tänzer): Die Semahcıs führen das Semah-Ritual aus.

 

7. Sakkacı (Wasserträger): Der Saki ist für die gleichmäßige Verteilung von Wasser in der Cem-Zeremonie verantwortlich. Er symbolisiert auch das Leiden des Imam Hüseyin, der in Kerbela Durst erlitt und ermordet wurde.

 

8. Kapıcı (Wächter): Der Kapıcı oder Bekci hat die Aufgabe, nach Beginn der Cem-Zeremonie niemanden herein- oder herauszulassen. Früher, als Cem-Zeremonien in Anatolien verboten waren, gewährleistete der Bekci, dass der Gottesdienst ungestört und verborgen abgehalten werden konnte.

 

9. Peyik (Verkündiger): Die Aufgabe des Peyiks besteht darin, Datum, Ort und Uhrzeit der Cem-Zeremonie an die Gemeindemitglieder zu verkünden.

 

10. İznikci (Reiniger): Der İznikci ist für die Reinigung der Cem-Zeremonie verantwortlich. Außerdem legt er mit einem Gebet, dem "Rosenruf (Gülbeng)", ein Schaffell (Post, Secade) auf den Sitz des Dedes.

 

11. Teszekâr (Reiniger der Finger): Die Aufgabe des Teszekâr-Dienstes ist es, symbolisch die Finger der Menschen zu reinigen und ihre Seelen von Schlechtigkeiten zu befreien. Oft wird dieser Dienst von einem Mann und einer Frau (manchmal einem Ehepaar) gemeinsam ausgeführt.

 

12. Lokmacı /Kurbancı (Essensverteiler): Jede Person, die an der Cem-Zeremonie teilnimmt, bringt ein Nahrungsmittel mit. Die Lokmacıs sind dafür verantwortlich, das mitgebrachte Essen gleichmäßig an alle Teilnehmenden zu verteilen. Die gleichmäßige Verteilung an alle Teilnehmer der Zeremonie hat einen hohen Stellenwert.

Quele: Cem-Zeremonie | Religionen Entdecken (religionen-entdecken.de)